Das Stadttaubenkollektiv
Populationskontrolle
Es gibt verschiedene Maßnahmen die Taubenpopulationen zu kontrollieren. Einige möchten wir euch hier vorstellen.
Betreute Taubenschläge ​
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Betreute Taubenschläge haben sich als erfolgreiche und tierschutzgerechte Maßnahme zur Reduzierung der Taubenpopulationen bewährt. Die Tauben brüten in den Schlägen und sitzen nicht mehr auf den umliegenden Gebäuden, wodurch weniger Verschmutzung entsteht. Die Eier werden in den Taubenschlägen durch Attrappen ersetzt, wodurch eine Vermehrung verhindert wird. Die Tiere bekommen frisches Wasser und artgerechtes Futter. Dadurch haben die Tiere es nicht mehr nötig in ihrer Umgebung danach zu suchen und Menschen fühlen sich weniger belästigt. Weiterhin wird durch das artgerechte Futter die Kotbeschaffenheit verbessert. Denn die ekligen grün-weißen Kotpfützen, die man meistens zu sehen bekommt, sind nichts anderes als Durchfall, da die Tauben Abfall essen müssen. Normaler Kot von gesunden Tauben ist braun, rund, relativ fest und lässt sich mühelos entfernen.
Sterilisation​
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Dabei handelt es sich um eine minimalinvasive, endoskopisch gestützte Vasektomie männlicher Stadttauben, die die Fortpflanzung verhindern soll. Die Tiere sind nach dem Eingriff dauerhaft unfruchtbar. Allerdings bedeutet dies bei einer großen Taubenpopulation einen beträchtlichen Aufwand. Hierbei sollte außerdem bei jeder Taube eine Ultraschalluntersuchung vorhergehen, um die weiblichen Tauben nicht unnötig einem solchen Eingriff zu unterziehen. Zudem kann es bei dem Eingriff zu Komplikationen kommen. Außerdem sollten die Tiere mehrere Tage zur Beobachtung vor Ort bleiben, um negative Folgen des Eingriffs auszuschließen und auch erst dann wieder in die Freiheit entlassen werden, wenn die Wunde vollständig verheilt ist. Geschieht dies nicht, können sich die Wunden leicht infizieren und die Tiere können letztendlich sterben.
Nicarbazin​
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Mit dem Wirkstoff Nicarbazin überzogene Maiskörner (oft bekannt unter dem Markennamen "Ovistop") können zur Fütterung von Stadttauben genutzt werden, wodurch die Eientwicklung gehemmt wird. Allerdings hält der Effekt nur so lange an, wie die Tauben auch mit dem Futter versorgt werden. Wird das Ganze wieder abgesetzt, gibt es nach einiger Zeit auch wieder Nachwuchs.
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Aber es gibt viele Fragezeichen: Das Mittel wurde ursprünglich zur Behandlung von Kokzidien bei Geflügel entwickelt. Bei langfristiger Gabe besteht daher das Risiko einer Resistenz. Weiterhin wurden bei eben jenem Geflügel schwere gesundheitliche Langzeitnebenwirkungen festgestellt (siehe: https://www.vetpharm.uzh.ch/Wirkstoffe/000000000033/0950_07.html).
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Weiterhin gibt es Studien, die zudem den Erfolg von Nicarbazin zur Reduzierung von Taubenpopulationen in Frage stellen:
https://scijournals.onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1002/ps.6000.
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Dort kommt man zu dem Ergebnis:
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"Insgesamt deuten unsere Ergebnisse darauf hin, dass die Behandlung mit Nicarbazin keine Auswirkungen auf die Größe der Wildtaubenpopulation hatte, und wir raten von der Anwendung dieser Methode zur Taubenbekämpfung ab, zumindest in Großstädten."
Außerdem verursacht das Produkt immense Kosten. Derzeit kostet ein 15kg-Sack noch über 200 Euro. Bei großen Taubenpopulationen und bei regelmäßiger Gabe ein sehr kostspieliges Unterfangen.
Schlussendlich gibt es viele Punkte, die bei der Ausbringung des Mittels im Freien und bei der Fütterung an die Tiere beachtet werden müssen, die aber teilweise nur schwer umsetzbar sind.
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Die Stadt Düsseldorf hat sich im Mai 2024 übrigens klar von Ovistop distanziert. Nach eingehender Nutzen-Risiko-Abwägung sei man zu dem Ergebnis gekommen, dass die Anwendung mehr Risiko als Nutzen habe. Gründe seien unter anderem die Sorge vor Resistenzbildung gegen den Wirkstoff, die Nebenwirkungen bei den Tauben, aber auch potentielle Nebenwirkungen auf andere Tiere. Deshalb setzt die Stadt Düsseldorf weiterhin in bewährter Kooperation mit dem Tierschutzverein auf das tierschutzgerechte Konzept der kontrollierten Taubenschläge.
Als weiteführende Literatur zu diesem Thema empfehlen wir auch folgenden
Text:
https://www.tierrechte.de/2024/03/21/taubenpille-ovistop-tierschutzrechtlich-bedenklich/ ​​​
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Ist das Töten von Tauben erlaubt?​
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Tauben dürfen in Deutschland nicht getötet werden. Dies würde einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz darstellen. Die Rechtslage ist eindeutig. Wer zuwider handelt, macht sich strafbar. Nach § 17 TierSchG wird ein Verstoß mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft.
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So hat das Verwaltungsgericht Stuttgart im Jahr 2022 klargestellt, dass eine Tötung von Tauben nicht erlaubt ist: „Das Tötungsverbot gilt auch für Tauben." So müssten zum Beispiel Veterinärbehörden prüfen, ob die Tiere anderswo untergebracht werden könnten.
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Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat in 2024 festgestellt, dass sogar bloßes Fangen von Tauben anhand von Fallen verboten ist.
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https://openjur.de/u/2488780.html
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Eine Tötung von Tauben ist nur in absoluten Ausnahmefällen gestattet, wenn eine unmittelbare Gefahr für die Gesundheit von Menschen vorliegt. Dies ist jedoch so gut wie nie der Fall und die rechtlichen Hürden für eine Erlaubnis zur Tötung sind hoch. Auch Personen mit einem entsprechenden Sachkundenachweis, der zur Tötung berechtigen würde, müssen sich an die Gesetzgebung halten und haben keinen Freifahrtsschein. Es müssen erst mildere Methoden zur Reduzierung der Taubenpopulation zur Anwendung kommen.
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So hatte das Verwaltungsgericht Hessen im Jahre 2011 zwar zu Gunsten eines Falkners entschieden, dass Tauben als Schädlinge eingestuft werden dürfen, wenn sich mindestens 10 Tiere auf 100 Quadratmeter befinden. Eine Erklärung wie das Gericht auf diese nicht nachzuvollziehenden Zahlen kam, gibt es jedoch nicht. Das zeigt wiederum die Absurdität dieses Urteils, da nicht nur Tauben, sondern auch andere Vogelarten (und andere Tiere) Krankheiten übertragen können, in Gruppen leben und in der Regel natürlich oft mehr als 10 Tiere auf 100 Quadratmeter vorhanden sind. Demnach müssten also alle diese Vogelarten (und anderen Tiere) als Schädlinge gelten und getötet werden dürfen.
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Allein aufgrund der theoretischen Einstufung eines Tieres als "Gesundheitsschädling" können allerdings noch keine Maßnahmen ergriffen werden. Hierfür ist vielmehr zusätzlich das Vorhandensein einer konkreten Gefahrenlage für den Menschen erforderlich, wie sie insbesondere in § 17 Abs. 2 IfSG dargelegt ist. § 17 Abs. 2 IfSG dargelegt ist.
Abgesehen davon ist besagtes Urteil nach heutigen Maßstäben veraltet und angreifbar. Schon 1964 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass solche Urteile keine Bindewirkung haben, wenn mittlerweile neue Erkenntnisse bezüglich des Themas existieren (vgl. BVerfG, Beschl. v. 11.11.1964, 1 BvR 216/64).
Und neue Erkenntnisse zu Stadttauben, sowie zu einem tierschutzgerechten und erfolgreichen Stadttaubenmanagement gibt es reichlich.
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Eine Tötung von Tauben zur Reduzierung der Population ist zudem nicht effektiv.
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Denn so kommt zum Beispiel Prof. Dr. Daniel Haag-Wackernagel zu dem Ergebnis (Tauben in der Stadt, 2016):
„Während der letzten Jahre hat die Akzeptanz gegenüber Tötungsaktionen in der Bevölkerung stetig abgenommen. Sodass es sich heute kaum eine Kommune leisten kann, Tauben im großen Stil zu töten.
Ein weiteres, meist übersehenes Problem liegt darin, dass ein Teil der Straßentauben während des ganzen Jahres brütet. Fehlt ein Elterntier, kann der verbleibende Partner die Jungen nicht alleine aufziehen was dazu führt, dass sie im Nest verhungern. Aus diesem Grund werden in Basel seit mehreren Jahren keine Tötungsaktionen mehr durchgeführt.
Die Auswirkungen von Tötungsmaßnahmen wurden von verschiedenen Forschungsgruppen wissenschaftlich untersucht. Wird ein Teil einer Taubenpopulation getötet, steigt in der Folge die Nachwuchsrate der Überlebenden. Dies wird als kompensatorische Natalität bezeichnet (Kau & Malecki 1990 Effects on harvest of feral rock dove survival, nest success and population size). Nach Bekämpfungsaktionen wird deshalb die ursprüngliche Populationsgröße oft nach wenigen Wochen wieder erreicht. Rein rechnerisch ist es wegen der hohen Nachwuchsrate sehr schwierig bis unmöglich eine Straßentaubenpopulation durch die Erhöhung der Sterberate, das heißt durch Tötung, nachhaltig zu verringern.“ (Haag-Wackernagel 2012b: Das Taubenproblem und Wege zu einer Lösung)
Weiterhin kommt die Studie von Giunchi, Baldaccini, Sbragia und Soldatini
(Feral Pigeons: Problems, Dynamics and Control Methods, 2007) zu folgendem Ergebnis:
„Mehrere Modelle zeigen, dass bei monogamen Arten mit hoher Sterblichkeitsrate und hoher Produktivität, wie etwa bei Stadttauben, die Keulung zur Populationskontrolle wahrscheinlich weniger effektiv ist als die Reduzierung des Fortpflanzungspotenzials (Barlow et al., 1997; Dolbeer, 1998). Obwohl die Keulung in der Vergangenheit in mehreren Städten in großem Umfang zur Bekämpfung von Stadttaubenpopulationen eingesetzt wurde (siehe z. B. Feare, 1991; Johnston & Janiga, 1995; Murton et al., 1972; Sol & Senar, 1992) und in verschiedenen Zusammenhängen immer noch verwendet wird (siehe z. B. Senar et al., 2009), hat keine wissenschaftliche Studie die Wirksamkeit dieser Methode zur signifikanten Beeinflussung der Populationsgröße nachgewiesen.“
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